Interessante Entscheidungen (2022 - 2025)

Patentrecht

1. Zur Neuheit eines Patentes

In einem der seltenen bis zum OGH gelangenden Nichtigkeitsverfahren konnte dieser richtungsweisend Gesichtspunkte für die Erschließung des Offenbarungsgehaltes eines Vorhaltes darlegen, die - extrahiert vom konkreten Sachverhalt - etwa folgendermaßen zusammengefasst werden können:

  • Eine Schrift offenbart nicht nur das, was darin explizit beschrieben ist, sondern auch alle Merkmale, die sich implizit ergeben, das sind insbesondere alle Merkmale, die sich beim Nacharbeiten eines konkret beschriebenen Beispiels für eine Fachperson zwangsläufig ergeben.
  • Der gesamte Inhalt eines Vorhalts, inklusive der darin spezifisch und konkret genannten, beispielhaften Angaben zählt zum darin geoffenbarten Stand der Technik.
  • Bei einem funktionalen Merkmal, das über seinen Wirkmechanismus definiert ist, kommt es nicht auf seine Eigenschaften an, sondern nur auf seine Funktionalität.

(OGH vom 20.12.2024, 4 Ob 29/23 b - Pbl 2025,35)

2. Rechtsfrage - Tatfrage

Im Zuge eines Patentverletzungsverfahrens hat der OGH kürzlich den Satz geprägt: „Ob eine Erfindung auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, ist grundsätzlich eine Rechtsfrage, allerdings bedarf es zu deren Lösung auch der Klärung der Tatfrage, ob sich das Patent für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt“. Dies ist allerdings nichts Neues, denn zur Beurteilung des „Nichtnaheliegenden“, also der erfinderischen Tätigkeit, ist zunächst das einschlägige Fachwissen zu eruieren, das ist die Tatfrage, worauf erst danach die Erfindungshöhe bestimmt, also die Rechtsfrage gelöst, werden kann.

(OGH v. 30.12.2024, 4 Ob 105/23d – ÖBl 2025, 171)

 

Markenrecht

1. Zur Widerspruchsbegründung)

Gemäß § 29 (3) MschG bedarf ein Widerspruch einer Begründung. Das Ausmaß dieser Begründungspflicht war aber bislang nicht geregelt. Dass die Widerspruchsmarke (n) und der Umfang des Markenangriffs zu nennen waren und sind, galt und gilt als selbstverständlich. Zusätzlich zum Ankreuzen oder Anklicken der im amtlichen Widerspruchsformular angeführten Rechtsgrundlagen wurde es bislang aber als erforderlich angesehen, zumindest eine knappe Darlegung der Widerspruchsgründe beizufügen. Dies ist allerdings durch eine Entscheidung des OLG Wien nicht zwingend:

„Der Widerspruch ist (auch) rechtzeitig und begründet, wenn lediglich das amtlicherseits zur Verfügung gestellte Formular mit dem angekreuzten Unterpunkt „Zwischen der älteren Widerspruchsmarke und der angegriffenen Marke und Waren und Dienstleistungen beider Marken besteht Verwechslungsgefahr“ innerhalb der Widerspruchsfrist eingebracht wurde. Einer weiteren Substanziierung bedarf es nicht."

(OLG Wien v. 27.11.2023, 33R120/23v – Pbl 2024,41)

2. Zur rechtserhaltenden Markenbenutzung 

Die u.a. für „Hardware und Software, insbesondere für Casino- und Glücksspielhallenspiele (Kl.9)“, „Casinoausrüstungen, Casinospiele (Kl. 28)“ und „Betrieb von Casinos oder Spielcasinos (Kl. 41)“ eingetragene Marke „ Burning Hot“ wurde - erwiesenermaßen - nur für ein online verfügbares Spiel ohne Einsatz und Gewinn verwendet und wegen Nichtbenutzung - letztlich erfolgreich - angefochten.

Die Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamts ging davon aus, dass die nachgewiesene Verwendung zwar unter „Hardware und Software, insbesondere für Glücksspiele über die Telekommunikationsnetze und/oder Internet ohne Gewinnauszahlung (Kl. 9)“ und „ Betrieb von Online Internetcasinos (Kl. 41)“ zu subsumieren sei, dass aber die festgestellte Nutzung nicht ausreiche, eine ernsthafte kennzeichenmäßige Benutzung in Österreich nachzuweisen.

Die dagegen von der Markeninhaberin eingebrachte Berufung hatte keinen Erfolg, obzwar die Begründung des OLG Wien von jener des ÖPA abwich, indem es feststellte, dass die Marke nur für Waren und Dienstleistungen benutzt wurde, die unter keinen der Begriffe des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses zu subsumieren seien. Denn ein Onlinespiel ist weder Hardware noch Software (für einen Computer) gemäß Klasse 9, und die Nutzung von „Burning Hot“ sei nicht in Zusammenhang mit dem Anbieten des Produkts „Software für Glücksspiele“ erfolgt, sondern im Rahmen der Erbringung der Dienstleistung der Zurverfügungstellung eines Spiels. Da unter einem (virtuellen) Casino ein Ort verstanden wird, an dem gegen Zahlung eines Einsatzes Spiele angeboten werden, die Nutzer das online-Spielangebot aber keinen Einsatz zu zahlen gehabt hätten, falle die festgestellte Nutzung der Marke auch nicht unter die Dienstleistung des Betriebes von Online-Internet-Casinos gemäß Klasse 41.


(OLG Wien v. 12.02.2024, 33R106/23 k - Pbl 2024,48)

 

3. Zum Namensrecht

Das „Südbahnhotel“ am Semmering stand jahrelang leer. Während dieser Zeit erwarb ein Unternehmen mehrere Domains, die diese Gebäudebezeichnung enthalten. Nach Neuübernahme der Liegenschaft mit dem Südbahnhotel begehrte die neue Inhaberin von dem Unternehmen die Unterlassung der Verwendung der Gebäudebezeichnung in den Domains mit der Behauptung, durch den Liegenschaftserwerb auch bürgerrechtlichen Namensschutz erlangt zu haben. Sie hatte damit in den Unterinstanzen (HG Wien, OLG Wien) auch Erfolg. Der OGH wies das Klagebegehren aber mit der Begründung ab, dass das Eigentumsrecht an einem Gebäude bekannten Namens noch keinen Namensschutz per se gewährt, dass also die Verwendung der Gebäudebezeichnung in Domains anderer nicht untersagt werden kann.

(OGH v. 22.10.2024, 4 Ob 77/24p – ÖBl 2025,169)

 

4. Zur Beweislastumkehr

Die Inhaberin einer Vielzahl von Marken für Kosmetikwaren, die im EWR mit einem selektiven Vertriebssystem vertrieben werden, hat ein nicht dem Vertriebssystem angehörendes Unternehmen auf Unterlassung geklagt, nachdem bei einem Testkauf in Österreich von diesem in Umlauf gebrachte Markenware aufgefunden wurde. Die Beklagte wandte die Erschöpfung des Markenrechts mit der Behauptung ein, die Waren seien von der Markeninhaberin bzw. mit deren Zustimmung im EWR in den Verkehr gebracht worden, konnte dies aber nicht ausreichend beweisen, da ihre Lieferanten Auskünfte über deren Quellen verweigerten. Dem Prinzip folgend, dass der Behauptende auch beweisen müsse, aber kein schlüssiger Beweis erbracht werden konnte, gaben die 1. Instanz (HG Wien) und die 2. Instanz (OLG Wien) der Klage statt. Im Zuge einer Revision wies der OGH die Klage aber ab und hielt fest, dass im Falle eines Erschöpfungseinwandes der Beklagten die Beweislast auf die Klägerin übergeht, die nachzuweisen hat, dass die Waren außerhalb des EWR in Verkehr gebracht worden seien, der Markenschutz also noch nicht erschöpft sei.

(OGH v. 22.10.2024, 4 Ob 56 / 24z – ÖBl  2025, 158)

Sprachauswahl

Select your language

Interessante Entscheidungen

Publikationen