Interessante Entscheidungen (2020 - 2021)

Patentrecht

1. Zur offenkundigen Vorbenutzung

In einem Patentnichtigkeitsverfahren war entscheidungsrelevant, ob eine die Patentmerkmale aufweisende Maschine, die schon vor der Patentanmeldung in einer Werkshalle eines Unternehmens aufgestellt wurde, öffentlich zugänglich war. Während die Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamts die öffentliche Zugänglichkeit und damit Neuheitsschädlichkeit verneinte, wurde diese vom OLG Wien, bestätigt durch den OGH, bejaht.

Es wurde festgestellt, dass die in der Produktionshalle aufgestellte Maschine außer für Besucher der Geschäftsleitung sowie Werkzeugtechniker und Monteure auch für Schulklassen und Führungen direkt einsichtig war. Da weder eine konkrete noch eine implizierte Geheimhaltungsverpflichtung nachgewiesen wurde bzw. werden konnte, war das Patent für nichtig zu erklären.

(OGH v. 05.07.2021, 4 Ob 220 / 20m – PBl. 2022, 86; ÖBl. 2022, 86)
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2. Zur Patentierbarkeit

In einem Patentnichtigkeitsverfahren hielt das OLG Wien erneut fest:

  • Ob der Gegenstand eines Patents auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, ist grundsätzlich eine Rechtsfrage. Ihre Beantwortung – i.d.R. nach dem Aufgabe-Lösungs-Ansatz – hängt aber auch von der Tatfrage ab, welches Fachwissen die Durchschnittsfachperson auf dem betreffenden Gebiet hat. Sollten Feststellungen zum Fachwissen der Durchschnittsfachperson auf dem betreffenden Gebiet oder sonst zur Anwendung des Aufgabe-Lösungs-Ansatzes erforderliche Feststellungen fehlen, läge ein sekundärer Feststellungsmangel vor.

  • Eine erfinderische Tätigkeit liegt nach § 1 Abs.1 PatG vor, wenn sich die Neuerung für die Fachperson nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Die erfinderische Tätigkeit fehlt aber nicht schon dann, wenn die Fachperson aufgrund des Stands der Technik zur Erfindung gelangen hätte können, sondern erst, wenn sie sie aufgrund eines hinreichenden Anlasses in Erwartung einer Verbesserung oder eines Vorteils auch tatsächlich vorgeschlagen hätte – could-would-approach.

  • Die Prüfung der erfinderischen Tätigkeit kann insbesondere nach dem Aufgabe-Lösungs-Ansatz erfolgen, der sich in drei Phasen gliedert: a) Ermittlung des „nächstliegenden Stands der Technik“, b) Bestimmung der zu lösenden „objektiven technischen Aufgabe“ und c) Prüfung der Frage, ob die beanspruchte Erfindung angesichts des nächstliegenden Stands der Technik und der objektiven technischen Aufgabe für die Fachperson naheliegend gewesen wäre. Die objektive technische Aufgabe besteht allgemein darin, durch eine Änderung oder Anpassung des nächstliegenden Stands der Technik die technischen Effekte oder Wirkungen zu erzielen, welche die Erfindung von ihm unterscheiden.
    Allgemein gilt nach dem Aufgabe-Lösungs-Ansatz, dass eine bloß gleichwertige Alternative für ein bereits gelöstes Problem keine erfinderische Tätigkeit begründen kann.

  • Die für die Berufung gegen Endentscheidungen der NA sinngemäß geltenden Bestimmungen der ZPO sehen ein Neuerungsverbot vor: Im Berufungsverfahren darf weder ein neuer Anspruch noch eine neue Einrede erhoben werden.

(OLG Wien vom 01.07.2021, 33R8 / 21w – PBl. 2022, 18)

 

Musterrecht

Technisch bedingte Mustermerkmale

Die Inhaberin eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters für Heizsocken, die im Bereich des oberen Randes Druckknöpfe zum Anschluss eines Akkus aufweisen, ist gegen eine Konkurrentin, die verwechselbar ähnliche Heizsocken herstellt, mit Verletzungsklage vorgegangen, aber in allen drei Instanzen (HG Wien, OLG Wien, OGH) gescheitert. Die Gerichte haben nämlich festgestellt, dass die Druckknöpfe technisch bedingte Merkmale sind, die beim Vergleich mit dem (vermeintlichen) Eingriffsgegenstand nicht in Betracht zu ziehen sind.

(OGH vom 28.09.2021, 4 Ob 72 / 21y – ÖBl. 2022, 124)

 

Markenrecht

1. Zulässige Markenbenutzung

Die Betreiberin einer Smartphone-App zur Speicherung verschiedener Kundenkarten hat die zur Auswahl stehenden Unternehmen unter Abbildung ihrer Logos und/oder Marken aufgelistet. Eines dieser Unternehmen hat darin eine widerrechtliche Markenbenutzung erblickt und die App-Betreiberin auf Unterlassung belangt. Im Sicherungsverfahren erließ das HG Wien, bestätigt durch das OLG Wien, eine Einstweilige Verfügung gegen die App-Betreiberin, weil die Benutzung der Klagsmarke als Werbung für die App bzw. als Hinweis für die angebotenen Mobile-Wallet-Dienste aufzufassen sei. Im Zuge eines Revisionsrekurses der Beklagten wies der OGH aber den Sicherungsantrag vollinhaltlich ab. Er bezog sich dabei auf den Ausnahmetatbestand, wonach eine eingetragene Marke ihrem Inhaber nicht das Recht gewähre, einem Dritten zu verbieten, diese Marke zum Verweis auf seine Zubehör-Dienstleistungen im geschäftlichen Verkehr zu benutzen, sofern dies den anständigen Gepflogenheiten im Gewerbe und Handel entspricht. Die Verwendung der Klagsmarke in der App weise nämlich auf die Erbringung der Dienstleistung des App-Betreibers hin, und die Darbietung der Auswahlmöglichkeit aus mehreren Kundenkartenanbietern stelle auch keine unlautere Geschäftspraktik dar.

(OGH v. 22.12.2020, 4 Ob 205/201 – ÖBl 2021, 175)

2. Voraussetzungen für eine Farbmarke

Die Anmeldung einer Farbmarke, bestehend aus voneinander distanzierten Farbstreifen in Abfolge der Regenbogenfarben auf schwarzem Grund, wurde vom ÖPA mit der Begründung abgewiesen, dass das Zeichen auf unterschiedliche Arten verwendet werden könne und daher der Schutzumfang unbestimmt sei. Diese Auffassung wurde letztlich vom OGH bestätigt, indem er erneut festhielt, dass „abstrakte“, „konturlose“ Farbmarken nur schutzfähig seien, wenn ihre grafische Darstellung klar, eindeutig, in sich abgeschlossen, leicht zugänglich, verständlich, dauerhaft und objektiv ist. Da gegenständlich z.B. offen geblieben ist, wie groß der Abstand zwischen den Farbsteifen sein soll bzw. welches Verhältnis zwischen den Farbstreifen und dem dunklen Hintergrund vorliegen soll, wurden die Voraussetzungen für die Registrierbarkeit verneint.

(OGH v. 27.5.2021, 4 Ob 97/21z – ÖBl 2021, 270)

3. Bekannte Marke

Die Herstellerin des ABSOLUT-Wodkas ging erfolgreich gegen die Betreiberin einer Schi- und Snowboardschule mit der Bezeichnung ABSOLUT PARK bzw. ABSOLUT SCHOOL vor. Das Unterlassungsgebot der Verwendung der bekannten Marke ABSOLUT wurde von allen drei Instanzen (HG Wien, OLG Wien und OGH) in unterschiedlichen Ausprägungen verfügt, zumal eine bekannte Marke auch ohne Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen gegen die Benutzung eines jüngeren Zeichens geschützt ist, wenn dadurch ihre Unterscheidungskraft oder die ihr entgegengebrachte Wertschätzung ohne rechtfertigenden Grund ausgenutzt oder beeinträchtigt werden. Von den vier Tatbeständen, nämlich Rufausbeutung (Ausnutzung der Wertschätzung), Rufschädigung (Beeinträchtigung der Wertschätzung), Aufmerksamkeitsausbeutung (Ausnutzung der Unterscheidungskraft) und Verwässerung (Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft) erachtete der OGH die unlautere Ausnutzung der Unterscheidungskraft als verwirklicht, zumal die Verletzerin keine besonderen Umstände geltend gemacht hat, um ihr Verhalten zu rechtfertigen. Es bestand daher kein Zweifel, dass die Beklagte die hohe Bekanntheit der ABSOLUT-Marke ausnutzte, um das Interesse des Publikums auf ihre eigenen Produkte bzw. Dienstleistungen zu lenken.

Das Mehrbegehren der Klägerin, die Domain www.absolutpark.com bzw. www.absolutschool.com sowie korrespondierende Facebook-Seiten zu löschen, wurde dagegen mit der Begründung abgewiesen, diese könnten auch in das Markenrecht nicht verletzender Weise verwendet werden, zumal das Unterlassungsgebot ausdrücklich auf die besondere graphische Ausgestaltung der Marke abstellt, die bei den Domains und Facebook-Seiten aber gar nicht zur Geltung kommen kann.

(OGH v. 20.4.2021, 4 Ob 19/21 d – ÖBl 2021, 274)

4. Irreführende Markenverwendung

Eine Familiendynastie namens Pauscha hatte seit 1875 eine Fassbinderei betrieben. Im Zuge diverser unternehmerischer Umstrukturierungen schied der letzte Namensträger aus der zuletzt existierenden Gesellschaft im Jahre 2011 aus und gründete eine neue Fassbinderei-Gesellschaft , wogegen die verbliebene Gesellschaft danach die Wort-Bild-Marke „Pauscha Austria – since 1875“ (UM 123 15 719) registrieren ließ, die im Zuge eines Insolvenzverfahrens auf eine andere Gesellschaft überging. Letztere reichte gegen die neue Pauscha-Fassbindereigesellschaft eine auf ihre Marke gestützte Unterlassungsklage mit dem Begehren ein, dieser die Verwendung der UM oder eines verwechselbar ähnlichen Zeichens zu verbieten. Dagegen brachte die Pauscha-Gesellschaft Widerklage auf Nichtig- bzw. Verfallserklärung der UM ein. Diese hatte in allen drei Instanzen (HG Wien, OLG Wien, OGH) hinsichtlich Verfallserklärung Erfolg, da festgestellt wurde, dass die Markeninhaberin Fässer eigener Machart herstellt, also nicht auf das Know-How der Familie Pauscha zurückgreift und daher bei Winzern der falsche Eindruck einer ununterbrochenen Unternehmensfortführung und Handwerkstradition der Familie Pauscha erweckt würde.

(OGH v. 15.03.2021, 4 Ob 221/20h – ÖBl. 2022, 82)

5. Rechtserhaltende Benutzung

  • Eine aus drei nebeneinander angeordneten, an einem Ende bogenförmig abgeschnittenen Balken bestehende, ältere Bildmarke wurde zur Gänze in eine jüngere, für weitgehend ähnliche Dienstleistungen registrierte Wortbildmarke aufgenommen, stand aber in der registrierten Form nicht in Verwendung, sondern nur in Kombination mit Buchstaben in Form einer ebenfalls registrierten, älteren Marke. Im Zuge eines Widerspruchsverfahrens war daher zu entscheiden, ob die Benutzung der älteren Wort-Bild-Marke für die nicht benutzte reine Bildmarke dennoch rechtserhaltend war.

    Das ÖPA wies den Widerspruch ab, da die Benutzung der älteren Wortbildmarke mit der Benutzung der älteren Bildmarke nicht gleichzusetzen sei, die ältere Wortbildmarke der widerspruchsverfangenen, jüngeren Wortbildmarke aber nicht verwechslungsfähig ähnlich sei.

    Das OLG erachtete jedoch die Benutzung der älteren Wortbildmarke als rechtserhaltend für die älteren Bildmarke, weil letztere in ersterer vollständig und unverändert aufscheint, nicht in den Hintergrund tritt und auch nicht in einer unüblichen Form verwendet wird. Zum gleichen Ergebnis käme man, gäbe es die ältere Wortbildmarke gar nicht, sondern die ältere Bildmarke würde bloß in Kombination mit weiteren Buchstaben, also bloß in einer etwas abweichenden, die Unterscheidungskraft nicht verändernden Form verwendet worden sein. Das OLG Wien gab daher dem Widerspruch in Verbindung mit den ähnlichen Dienstleistungen statt.

    (OLG v. 17.11.2020, 33 R 68/20t – PBl 2021, 56; ÖBl 2022, 79)

     

  • In einem Löschungsverfahren wegen behaupteter Nichtbenutzung konnte die Inhaberin der angefochtenen Marke nur auf diverse undatierte Dauerwerbemittel (z.B. Kappen, Regenschirme, Schlüsselanhänger, etc.) verweisen. Diese wurden aber von der Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamtes, bestätigt durch das OLG Wien, für den Nachweis einer rechtserhaltenden Benutzung als untauglich angesehen, da nicht bewiesen werden konnte, dass sie im fraglichen Fünfjahreszeitraum tatsächlich weiterhin zur Bewerbung der Waren und Dienstleistungen der Markeninhaberin verwendet wurden. Die bloße noch bestehende Existenz der Werbeprodukte reichte nach Ansicht des Berufungsgerichts als Nachweis einer ernsthaften kennzeichenmäßigen Benutzung nicht aus.

    (OLG Wien v. 01.12.2021, 33 R 79 / 21m – ÖBl. 2022, 120)

6. Verwechselbarkeit

Die jüngere Marke KNABBER STRIZZI und die ältere Marke KNABBER NOSSI, beide für Waren der Klasse 29, wurden vom ÖPA als nicht verwechselbar, vom OLG Wien jedoch, letztlich bestätigt durch den OGH, als verwechselbar angesehen. Während das ÖPA dem Wort KNABBER keine Kennzeichnungskraft zubilligte (und wegen der unterschiedlichen Wörter STRIZZI und NOSSI die Verwechslungsgefahr verneinte), stellte das OLG Wien auf den Gesamteindruck der Marken ab. Es hielt fest, dass KNABBER trotz seines beschreibenden Charakters nicht so stark in den Hintergrund tritt, dass es die Verwechslungsgefahr beseitigen würde. Da NOSSI und STRIZZI in Kombination mit KNABBER letztlich Phantasiebegriffe seien, wird aufgrund der Warenähnlichkeit / - identität das Publikum glauben gemacht, dass die mit KNABBER STRIZZI gekennzeichneten Waren wirtschaftlich zu KNABBER NOSSI gehören, also aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen.

(OLG Wien vom 03.03.2021, 33 R 118 / 20w; OGH vom 22.09.2021, 4 Ob 98 / 21x – PBl. 2022, 31)

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